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eR 11/21

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Mittendrin im letzten Quartal dominiert das Jahresendgeschäft die letzten Wochen des Jahres. Wie immer ist dabei der Endspurt nicht unwesentlich. Geplante Abschlüsse wollen noch rechtzeitig unter Dach und Fach gebracht werden und die anstehende Änderung des Rechnungszinses zum 01.01.2022 sowie die Ungewissheit hinsichtlich künftiger politischer Rahmenbedingungen befeuern dies zusätzlich. Denn durch neue Richtlinien, Konzepte, Trends, Entwicklungen und auch Möglichkeiten werden auch im kommenden Jahr die Karten wieder neu gemischt. Unverändert hoch bleiben die Anforderungen in der Kundenberatung durch die Vielzahl an immer komplexer werdenden Informationen. Insofern bilden fundiertes Wissen verknüpft mit einem vorausschauenden Riskmanagement im gewerblichen Sektor sowie einer umfassenden Risikoanalyse im Privatkundenbereich immer mehr die Basis für jedes fundierte Beratungsgespräch. Das bedeutet aber auch, dass Versicherungsvermittler*innen sehr gut über mögliche Risiken im eigenen Handlungsumfeld informiert sein müssen. Stolperfallen tun sich hier regelmäßig auf. Eine großartige Unterstützung bieten auch dieses Jahr wieder die sehr detaillierten Beiträge der namhaften Rechtsanwälte und Fachautoren. Wir bedanken uns an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Mitwirkenden der Ausgabe dafür, dass sie mit ihrem weitreichendem Know-how und der thematischen Spezialisierung unseren Lesern ein so großes Spektrum eröffnen. Bleiben Sie gut informiert und nutzen Sie diesen Wissenstransfer auch für Ihre Überlegungen und Planungen für das neue Jahr 2022. Die Redaktion des expertenReport wünscht allen ein erfolgreiches Jahresendgeschäft und natürlich beste Gesundheit.

RECHT: FIRMENKUNDEN

RECHT: FIRMENKUNDEN Warum Versicherungsleistungen gegenüber Unternehmern mit 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sind Ein Artikel von Rechtsanwalt Boris-Jonas Glameyer und Rechtsanwältin Valerie Schreiber 16 11-21 | expertenReport

Viele Versicherungsmakler*innen kümmern sich um die Leistungsregulierung für ihre Kunden gegenüber den Versicherern. Wenn Sie eine schnelle Leistungsregulierung hinbekommen, entstehen natürlich überhaupt keine Verzugszinsen zugunsten Ihrer Kundschaft. Sollten Sie es aber nicht immer so schnell bis zur Fälligkeit schaffen, dann müssen Sie auch die Verzugszinsen für Ihren Kunden geltend machen. Denn darauf haben die Kunden dem Grunde nach einen gesetzlichen Anspruch, der nicht vergessen werden sollte. Rechtlich strittig ist es, ob Ihre Unternehmerkunden 5 oder 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz an Zinsen der Höhe nach zu bekommen haben. Immerhin ein Unterschied von 4 Prozent. Über die Höhe der Verzugszinsen einer verspäteten Versicherungsleistung, die an einen Unternehmer zu leisten ist, besteht aktuell Uneinigkeit. Im Rahmen der Betriebsschließungsversicherungen hat das Landgericht München I jüngst entschieden, dass die Verzugszinsen bei Versicherungsleistungen dem erhöhten Zinssatz des § 288 Abs. II BGB unterliegen.¹ Diese Auffassung wird auch in der Literatur teilweise vertreten.² Der BGH vertritt die Auffassung, dass Versicherungsleistungen vom Anwendungsbereich des § 288 Abs. II BGB ausgeschlossen sind.³ Eine tragfähige Begründung führt er nicht an. Der Rechtsstreit ist in der Praxis von großer Bedeutung, da es sich bei Versicherungsleistungen an Unternehmer häufig um Summen im sechsstelligen Bereich handelt und sich die Prozesse über Jahre erstrecken können. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 21. April 2010 im Zusammenhang mit einer Streitigkeit über Garantiezahlungen im Rahmen eines Mietgarantievertrags in einem Halbsatz beiläufig festgestellt, dass Zahlungen von Versicherungsgesellschaften nicht der erhöhten Verzinsung des § 288 Abs. II BGB unterfallen.⁴ Er stützt sich dabei auf den Erwägungsgrund 13 der Zahlungsverzugsrichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates (RL 2000/35/EG vom 29.06.2000). Ziel der Richtlinie 2000/35/EG ist die Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr, der als einer der Hauptgründe für die Insolvenzen von Unternehmen angesehen wird (Erwägungsgrund 7). Die Richtlinie ist demgemäß „auf die als Entgelt für Handelsgeschäfte geleisteten Zahlungen beschränkt und umfasst weder Geschäfte mit Verbrauchern noch die Zahlung von Zinsen im Zusammenhang mit anderen Zahlungen, zum Beispiel unter das Scheck- und Wechselrecht fallende Zahlungen oder Schadensersatzzahlungen einschließlich Zahlungen von Versicherungsgesellschaften“ (Erwägungsgrund 13). Allein die Erwähnung der Zahlungen von Versicherungsgesellschaften in diesem Zusammenhang sieht der BGH als Ausschluss dieser aus dem Anwendungsbereich des § 288 Abs. II BGB an. Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Nennung der Zahlungen von Versicherungsgesellschaften erfolgt in einem völlig anderen Kontext, sodass ein Ausschluss von Versicherungsleistungen im Rahmen von § 288 Abs. II BGB hierauf nicht gestützt werden kann. Richtigerweise sind Entgeltforderungen nach der allgemeinen Definition zu bestimmen. Demnach liegt eine Entgeltforderung vor, wenn die Forderung auf die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung gerichtet ist. Darunter fällt insbesondere die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen, wobei der Begriff „Dienstleistung“ sich nicht nach § 611 BGB bestimmt, sondern weiter gefasst ist. → ¹ LG München I 23 O 5937/20, Urteil vom 24.11.2020. ² Fausten in Langheidt/Wandt, MüKo VVG, 2. Aufl., § 14 VVG, Rn. 128; Johannsen in ³ BGH XII ZR 10/08, Urteil vom 21.04.2010; BGH VIII ZR 259/09 vom 16.06.2010. ⁴ BGH XII ZR 10/08, Urteil vom 21.04.2010. Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 14, Rn. 33. expertenReport | 11-21 17

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