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Transformation sei ein Projekt – diese Sichtweise teilen einige, meist aber nur zu Beginn dieser Veränderungsphase. Werden Betroffene im Unternehmen zu strategisch, konzeptionell und organisatorisch Beteiligten reift die Erkenntnis, dass Transformation ein Prozess ist, der in alle Bereiche eingreift. Damit werden derzeit nicht nur die Versicherungswirtschaft oder die so wichtige Automobilbranche konfrontiert. Wir finden sie in vielen Branchen wieder. Das Team von codecentric betrachtet diese Anforderungen aus der Sicht eines IT-Dienstleisters und teilt damit wichtige Erfahrungen. Ich finde, man sollte öfter die Perspektive wechseln.

LEBENSBEGLEITENDES

LEBENSBEGLEITENDES VORSORGEMODELL Pflegeformen in Deutschland »Betrachtet man die Entwicklung der Pflegeformen im Zeitraum 2016 bis 2021, so fällt auf, dass die Anzahl der Versicherten in vollstationärer Pflege trotz steigender Fallzahlen seit 2019 tendenziell rückläufig ist.« Bereits bei Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung im Jahr 1995 hatte der Gesetzgeber den Vorrang der häuslichen Laienpflege erklärt. Dieser unumstößliche Grundsatz gilt bis heute und nach § 3 SGB XI soll die gesetzliche Pflegeversicherung mit ihren Leistungen vor allem die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen, damit der Pflegebedürftige möglichst lange in seiner häuslichen Umgebung verbleiben kann. Ein hehrer Gedanke, der allerdings in der Alltagspraxis sehr oft an seine Grenzen stößt. So werden einerseits vor allem berufstätige Familienangehörige infolge der Mehrfachbelastung durch Beruf, die Verpflichtungen gegenüber der eigenen Familie und die Pflege eines Angehörigen sehr schnell an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit geführt. Andererseits, und dies darf nicht übersehen werden, haben sich die Lebens- und Haushaltsformen in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert. Bereits bei Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung dominierte der Singlehaushalt als häufigste Haushaltsform in Deutschland. Während im Jahr 1995 insgesamt 34,2 Prozent der Haushalte als Ein per so nen haus halte geführt wurden, waren es im Jahr 2021 bereits 40,8 Prozent; ein Anteil, der bis zum Jahr 2040 weiter steigen wird. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung stellt sich die Frage, welche Zukunft die Wunschvorstellung des Gesetzgebers bezüglich der häuslichen Laienpflege hat. Betrachtet man die Entwicklung der Pflegeformen im Zeitraum 2016 bis 2021, so fällt auf, dass die Anzahl der Versicherten in vollstationärer Pflege trotz steigender Fallzahlen seit 2019 tendenziell rückläufig ist. Während bei den Kombinationsleistungen, das heißt bei den Versicherten mit einem anteiligen Bezug von Pflegesachleistungen und Pflegegeld, im gleichen Zeitraum ein leichter Zuwachs zu verzeichnen war, blieben die Versorgungszahlen der ambulanten Pflegedienste nahezu konstant.³ Ein im Vergleich zu den anderen Pflegeformen überproportionaler Zuwachs der Fallzahlen war indes bei der häuslichen Laienpflege zu verzeichnen. Hier stellt sich die Frage nach den Ursachen. Wer kann das bezahlen? Sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Pflege sind die Ausgaben über die Jahre hinweg deutlich gestiegen. Der vom Gesetzgeber den Pflegeheimen verpflichtend aufgegebene Personalschlüssel, aber auch der Tarifvertrag für in der Pflege tätige Arbeitnehmer sind dabei als Kostenkatalysatoren zu bewerten. Natürlich soll den Versicherten weder der Anspruch auf eine qualifizierte Versorgung in personell gut aufgestellten Pflegeheimen noch den Beschäftigten in der Pflege eine angemessene und wertschätzende Bezahlung abgesprochen werden. Tatsache ist aber, dass die Pflegekosten nur einen Weg kennen: den nach oben. Ein Beispiel: Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz hatte der Gesetzgeber in der vollstationären Pflege den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil an den vollstationären Pflegekosten eingeführt. Damit wurde geregelt, dass Versicherte der Pflegegrade 2 bis 5 in einem Pflegeheim immer den gleichen Anteil zu den Pflegekosten zuzahlen müssen. Dieser einrichtungseinheitliche Eigenanteil betrug im Januar 2017 in einem ³ Für eine ausführliche Darstellung siehe Schrehardt, Reform der sozialen Pflegeversicherung mit dem Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege, Deutsches Steuerrecht, in Druck. 46 07-23 | expertenReport

Nürnberger Pflegeheim 479,59 Euro/Monat. Aktuell beziffert sich der Zuzahlungsbetrag in der gleichen Einrichtung auf 1.421,83 Euro/Monat, was einer Kostensteigerung von fast 200 Prozent innerhalb von sechs Jahren entspricht. Addiert man noch die sogenannten Hotelkosten für Unterbringung, Verpflegung und die Investitionskostenpauschale mit 1.499,10 Euro/Monat auf, so muss ein Versicherter jeden Monat 2.920,93 Euro aus der eigenen Tasche bestreiten. Für viele Versicherte entspricht dieser Betrag einer Größenordnung, der – vor allem im Alter – aus laufenden Einnahmen nicht bezahlt werden kann. Es verwundert also nicht, dass im Jahr 2021 über 400.000 pflegebedürftige Versicherte Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen mussten. Der im Vergleich zu anderen Pflegeformen bei der häuslichen Laienpflege zu beobachtende überproportionale Anstieg der Fallzahlen ist somit zu einem nicht unerheblichen Anteil monetären Zwängen geschuldet. Mit oftmals weitreichenden Folgen für Arbeitgeber. Leistungsverbesserungen ab 1.1.2024 Nachdem der Gesetzgeber die ambulante Laienpflege favorisiert, sollte eine entsprechende Förderung dieser Pflegeform zu erwarten sein. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. So hatte sich der Gesetzgeber in § 30 SGB XI die Verpflichtung einer regelmäßigen Überprüfung und Anpassung der Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung in dreijährigen Intervallen auferlegt. Die letzte umfassende Anpassung der Leistungen erfolgte dabei mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz zum 1.1.2017. Rein rechnerisch hätte nun die nächste Überprüfung der Leistungen im Jahr 2020 erfolgen müssen. Doch darauf warteten die Versicherten vergebens. Eine vom damaligen Bundesgesundheitsminister im Entwurf für das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung aufgenommene Anpassung der Leistungen wurde eingedampft, sodass am Ende nur die Pflegesach- und die Leistungen der Kurzzeitpflege angehoben wurden. Die Empfänger von Pflegegeld, das heißt die mit Abstand größte Gruppe der Leistungsbezieher, ging bei dieser „Tarifrunde“ leer aus. Mit der aktuellen Pflegereform hat der Gesetzgeber viele, aber nicht alle Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung angepasst. So wird beispielsweise das Pflegegeld nach sieben Jahren zum 1.1.2024 um fünf Prozent erhöht. Rechnet man die deutlich höhere Inflationsrate gegen, so wurden und werden die Versicherten abgestraft. Die Versicherten, die in ambulanten Wohngruppen versorgt werden, gehen – zumindest teilweise – leer aus, da der pauschale Zuschlag für diesen Personenkreis von den Leistungserhöhungen ausgenommen wurde. Ein Bonmot darf von der Seitenlinie noch eingeworfen werden: Interessanterweise werden die Beitragssätze der sozialen Pflegeversicherung bereits zum 1.7.2023 erhöht, die Leistungen jedoch erst zum 1.1.2024 angepasst. → Leistungen der ambulanten Pflege ab 1.1.2024 Pflegegeld Pflegesachleistungen Pflegegrad 2 332 Euro/Monat 761 Euro/Monat Pflegegrad 3 573 Euro/Monat 1.432 Euro/Monat Pflegegrad 4 765 Euro/Monat 1.778 Euro/Monat Pflegegrad 5 947 Euro/Monat 2.200 Euro/Monat expertenReport | 07-23 47

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