RECHT Der Versicherer ist berechtigt, seine Prämienkalkulation auf eigenen Erfahrungswerten aufzubauen. Dass er sich dabei in weiten Bereichen mit den ärztlichen Einschätzungen in Übereinstimmung befinden dürfte, ergibt sich aus der Natur der Sache. Der Versicherer ist jedoch rechtlich nicht gehalten, jede Entwicklung der medizinischen Wissenschaft in sein Prämiensystem umzusetzen. Die Prämienkalkulation und die Methodik des Zustandekommens von Risikozuschlägen sind dem Versicherungsnehmer in der Regel unbekannt. Daher trifft den Versicherer eine besondere Substantiierungspflicht, wenn er sich gegen das Herabsetzungsverlangen wehrt. Nun stellt sich aber die Frage, ob der Versicherer dem Verlangen des Versicherungsnehmers nachkommen, mithin die Prämie bei einem Wegfall des gefahrerhöhenden Umstands herabsetzen muss. Der Versicherungsnehmer kann verlangen, dass die Prämie „angemessen“ herabgesetzt wird. In dem Fall, in dem aber ein ausdrücklicher und bezifferter Risikozuschlag vereinbart wurde und genau diese Gefahr entfallen ist, muss dieser Zuschlag schlicht wegfallen (siehe dazu: OLG Karlsruhe, Urt. v. 31.03.2011 – 12 U 164/10; das OLG Karlsruhe urteilte zu den Voraussetzungen einer Herabsetzung eines vereinbarten Risikozuschlags in der Krankenversicherung in Bezug auf das Krankheitsrisiko im Bereich der Wirbelsäulenund Bandscheibenerkrankungen). Beratungspflicht des Versicherers Häufig kennt der Versicherungsnehmer sein Recht aus § 41 VVG von sich aus nicht. Daher ist es geboten, dass der Versicherer, wenn ihm der Wegfall der Gefahrumstände erkennbar ist, den Versicherungsnehmer auf die Möglichkeit des § 41 VVG hinweist. Diese Pflicht folgt aus § 6 Abs. 4 VVG. Verletzt der Versicherer seine Beratungspflicht, so ist er dem Versicherten nach § 6 Abs. 5 VVG zum Schadensersatz verpflichtet. Zu beachten ist jedoch § 6 Abs. 6 VVG. Danach sind die Absätze 1 bis 5 des § 6 VVG nicht anwendbar, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird. Wen trifft die Beweislast? Für den Wegfall gefahrerhöhender Umstände (§ 41 Satz 1 VVG) beziehungsweise für seinen Irrtum über solche Umstände (§ 41 Satz 2 VVG) trifft den Versicherungsnehmer die Beweislast. Zudem muss der Versicherungsnehmer beweisen, dass wegen ebendieser Umstände eine höhere Prämie vereinbart wurde. Ist der Prämienzuschlag nicht im Antrag »Vielfach dürften Versicherte ihr vorbezeichnetes Recht gar nicht kennen. Von daher sollten Versicherungsvermittler ihre Kunden auf ihr diesbezügliches Recht hinweisen und gegebenenfalls, beim Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen, eine Herabsetzung der Prämie von der jeweiligen Versicherung verlangen.« oder im Versicherungsschein exakt beziffert, sondern ergibt er sich aus einer rein internen Kalkulation des Versicherers, so trifft den Versicherer eine sekundäre Darlegungslast. Der Versicherer muss dabei substantiiert darlegen, wie sich seine ursprüngliche Prämienberechnung zusammensetzt. Schließlich trifft den Versicherten auch die Beweislast hinsicht- lich des Zugangs seines Änderungsverlangens und dessen Zeitpunktes. Abdingbarkeit der Vorschrift Gemäß § 42 VVG ist § 41 VVG eine halbzwingende Vorschrift, es kann also nur zugunsten des Versicherten davon abgewichen werden, nicht zulasten. Fristen und Formerfordernisse für sein Herabsetzungsverlangen sind daher ebenso unzulässig wie eine Prämienminderung zu einem späteren Zeitpunkt als dem Zugang. Hingegen ist eine zeitliche Vorverlagerung der Prämienherabsetzung auf den Tag der Änderung oder ein Wahlrecht des Versicherungsnehmers zwischen Prämienminderung und erhöhtem Versicherungsschutz möglich. Gerichtliche Entscheidungen Letztlich stellt sich im Rahmen der Prämienherabsetzung gemäß § 41 VVG auch die Frage, welchen Standpunkt die Gerichte einnehmen. Dazu im Folgenden zwei Urteile: OLG Karlsruhe, Urt. v. 31.03.2011 – 12 U 164/10 Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass für die Beurteilung einer gewünschten Herabsetzung eines vereinbarten Risikozuschlags die Grundsätze maßgebend sind, von denen sich der Versicherer bei der Risikoprüfung leiten lässt. Diese müssen nicht dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, meint der Senat. 46 06-22 | expertenReport
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine private Krankenversicherung und machte die Herabsetzung des monatlichen Risikozuschlags und die Rückzahlung der überzahlten Beiträge geltend. Das LG Karlsruhe hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung des Versicherers hatte jedoch Erfolg, sodass der Kläger keinen Anspruch auf Prämienherabsetzung gemäß § 41 VVG hat. Die Beklagte habe ihre für die Prämienberechnung entscheidenden Grundsätze dargelegt und sei damit ihrer besonderen Substantiierungspflicht nachgekommen. Sie sei berechtigt, ihre Prämienkalkulation auf eigenen Erfahrungswerten aufzubauen. Dass sie sich dabei in weiten Bereichen mit den ärztlichen Einschätzungen in Übereinstimmung befinden dürfte, ergebe sich aus der Natur der Sache. Die Beklagte sei jedoch rechtlich nicht gehalten, jede Entwicklung der medizinischen Wissenschaft in ihr Prämiensystem umzusetzen, so das OLG. Dem insoweit beweispflichtigen Kläger war der Nachweis nicht gelungen, dass die Beklagte nach ihren Grundsätzen bei der beim Kläger vorliegenden Spondylarthrose von keinem oder einem geringeren Risikozuschlag ausgegangen wäre. LG Berlin, Urt. v. 17.04.2013 – 23 O 261/11 Das Landgericht Berlin hat im vorliegenden Fall entschieden, dass es für die Beurteilung, ob gefahrerhöhende Umstände weggefallen oder bedeutungslos geworden sind, auf die der Prämienanpassung zugrunde liegende subjektive Einschätzung des Versicherers ankomme. Beruhen die Prämienzuschläge auf prognostischen Erwägungen und besteht das Risiko von Folgebeschwerden, lassen beschwerde- oder behandlungsfreie Zeiten allein die Risikoerheblichkeit noch nicht entfallen, so das LG. In dem Fall stritten die Parteien über die Herabsetzung von Prämienzuschlägen im Rahmen einer bei dem beklagten Versicherer seit November 2007 bestehenden privaten Krankheitskostenversicherung. Im Mai 2008 teilte der Vorversicherer der Klägerin der Beklagten Behandlungszeiträume wegen Wirbelsäulenbeschwerden mit. Daraufhin erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Vertrag, da die Klägerin die Wirbelsäulenerkrankungen nicht angegeben habe, und bot der Klägerin zugleich eine Neugestaltung des Vertrags mit einem Risikozuschlag für Wirbelsäulenerkrankungen an. Dieses Angebot nahm die Klägerin an. Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Aufhebung oder Reduzierung des aktuellen Risikozuschlags – wegen Wirbelsäulenerkrankungen, Hypertrophie der Nasenmuschel und Kopfschmerzen – zu. Die Beklagte habe ihre Risikoprüfungsgrundsätze dargelegt und substantiiert im Einzelnen vorgetragen, dass die Prämienzuschläge auf prognostischen Erwägungen beruhen. Die Klägerin hätte vortragen müssen, dass ein potenziell Björn Thorben M. Jöhnke Rechtsanwalt Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB erhöhtes Risiko insgesamt nicht (mehr) besteht, und letztlich ausschließen müssen, dass zukünftig (irgendwelche) Folgen der Erkrankungen zu erwarten sind. Dazu vermochte sie aber nichts vorzubringen, meint das Gericht. Fazit und Hinweise für die Praxis Ein Begehren der Versicherten nach einer Herabsetzung der Prämie gemäß § 41 VVG ist in vielen Fällen durchaus nachvollziehbar und kann auch geboten sein. Denn liegt ein sogenannter „Risikofortfall“ vor, ist ein diesbezüglicher Versicherungsschutz mit entsprechend erhöhter Prämie – „Risikozuschläge“ – möglicherweise obsolet geworden. Demgemäß sollte der Versicherungsschutz auch entsprechend angepasst werden. Fällt also ein Risiko beim Versicherten weg, so könnte der Versicherungsnehmer zunächst die Herabsetzung der Prämie von seiner Versicherung verlangen. Versicherte müssen dabei jedoch nachweisen, dass ein potenziell erhöhtes Risiko insgesamt nicht (mehr) besteht. Ebenfalls muss auszuschließen sein, dass zukünftig (irgendwelche) Folgen der – damaligen – Erkrankung zu erwarten sind. Versicherte sind diesbezüglich in der Beweislast. Jedoch dürfte dieser Beweislast bestenfalls mittels entsprechender ärztlicher Befunde und Atteste nachzukommen sein. Vielfach dürften Versicherte ihr vorbezeichnetes Recht gar nicht kennen. Von daher sollten Versicherungsvermittler ihre Kunden auf ihr diesbezügliches Recht hinweisen und gegebenenfalls, beim Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen, eine Herabsetzung der Prämie von der jeweiligen Versicherung verlangen. Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB info@joehnke-reichow.de www.joehnke-reichow.de expertenReport | 06-22 47
Laden...
Laden...
Das IVW-geprüfte Print-Magazin expertenReport erscheint pro Quartal. Das Themenspektrum konzentriert sich auf die relevanten Sparten sowie die Zukunftsthemen der deutschen Versicherungswirtschaft.
Das expertenReport E-Paper erscheint fünf Mal pro Jahr.
Twitter
Facebook
LinkedIn