RECHT Das Risiko der Annahme eines Betriebsübergangs und der damit einhergehenden Haftungsfolgen steigt, wenn Betriebsmittel wie Räumlichkeiten, Mobiliar, Arbeitsmittel, EDV etc. übernommen werden, wenn Urheber- oder Markenrechte mit übertragen werden, wenn die Tätigkeiten nach der Übertragung ähnlich verrichtet werden, wie etwa durch Weiternutzung des Maklerverwaltungsprogramms, oder wenn Personal zur Betreuung der Kundenbestände übernommen wird. Gegen die Annahme eines Betriebsübergangs sprechende Umstände sollten im Bestandskaufvertrag ausdrücklich hervorgehoben werden. So könnte ein Betriebsübergang abzulehnen sein, wenn der Verkäufer seine wirtschaftliche Betätigung nicht einstellt oder keine Arbeitnehmer übernommen werden, die die Bestandsbetreuung fortsetzen. Auch wenn der Käufer den Kundenbestand fortan unter ähnlicher Firmierung betreut (ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit), kann ein Betriebsübergang angenommen werden. Schließlich wissen weder der Kunde noch sonstige Vertragspartner, dass lediglich die Kundenbestände übertragen wurden. Entscheidend ist, ob nach der Verkehrsanschauung trotz der leichten Namensänderung noch von derselben Firma ausgegangen wird und nach Treu und Glauben eine Kontinuität, auch der Haftung, erwartet werden darf. Zusätzlich können Werbeangaben (Anzeigen, Werbeschriften oder Schilder in der Außenwerbung) als Indizien für eine Betriebsfortführung herangezogen werden. Der Käufer sollte zudem vermeiden, einen sogenannten Rechtsschein zu setzen, das heißt, nach dem Bestandskauf durch sein Verhalten den Anschein zu erwecken, die Betriebsfortführung übernommen zu haben. Behauptet beispielsweise der wenig bekannte und erfolglose Käufer wahrheitswidrig, das florierende Maklerunternehmen des Verkäufers übernommen zu haben, um mit dessen Namen zu werben und damit Makleraufträge für sich zu gewinnen, dann läuft er große Gefahr, auch für Altverbindlichkeiten des Verkäufers aus einem „Betriebsübergang“ zu haften. 4. Kann ein Betriebsübergang rückgängig gemacht werden? vertraglichen Rücktrittsrechtes rückübertragen werden oder der Bestandskaufvertrag mangels Bestimmbarkeit des Kaufpreises wegen Scheingeschäfts, Sittenwidrigkeit, Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz oder aus anderen Gründen nach §§ 117, 138, 134 BGB wirksam angefochten wird. 5. Haftungsfolgen des Käufers bei Annahme eines Betriebsübergangs Bei jedem Betriebsübergang gehen zum Beispiel gemäß § 613a BGB alle Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen des übergegangenen Betriebes automatisch auf den Erwerber über. Übernimmt der Käufer beispielsweise den Kundenbestand eines Maklerunternehmens mit drei Angestellten und noch ausstehenden Lohnforderungen, so haftet der Käufer für diese Lohnforderungen nach § 613a BGB in Verbindung mit dem jeweiligen Arbeitsvertrag. Im Bestandskaufvertrag sollte daher ausdrücklich erklärt werden, dass keine Arbeitsverhältnisse bestehen, die übergehen könnten, und vorsorglich vereinbart werden, dass etwaige Verpflichtungen aus laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und aus unverfallbaren Anwartschaften ausgeschiedener Mitarbeiter auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bei dem Verkäufer verbleiben. Andernfalls sollte der Verkäufer dem Käufer die Freihaltung auf erstes schriftliches Anfordern erklären und sich zum Ersatz aller eventuellen Schäden verpflichten. »Der Käufer haftet bei einem Betriebsübergang gemäß § 75 AO immer auch für Steuerschulden des Betriebs, die im letzten Jahr vor der Veräußerung entstanden sind [...].« Weder eine Unwirksamkeit des Bestandskaufes noch ein vereinbartes Rücktrittsrecht lassen einen Betriebsübergang entfallen (BAG, Urteil vom 31.01.2008, Az.: 8 AZR 2/07). Tatsächliche Umstände, wie eine Übertragung des Kundenbestandes, können nicht durch eine Rückübertragung aus der Welt geschafft werden. Rechtliche Mängel einer Schuldübernahme sind nach § 417 Abs. 2 BGB unerheblich. Daher bleibt es gegebenenfalls beim haftungsbegründenden Betriebsübergang, auch wenn Kundenbestände nach Ausübung eines Der Käufer haftet bei einem Betriebsübergang gemäß § 75 AO immer auch für Steuerschulden des Betriebs, die im letzten Jahr vor der Veräußerung entstanden sind (insbesondere Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Gewerbesteuer), allerdings anders als bei § 25 HGB nur mit dem Betriebsund nicht mit dem Privatvermögen. Daher sollte der Verkäufer den Käufer im Bestandskaufvertrag vorsorglich von jeglicher Haftung, insbesondere der gemäß § 75 AO, ausdrücklich freistellen. 62 05-23 | expertenReport
»Der Bestandskaufvertrag sollte also so konzipiert sein, dass aus der vertraglichen Regelung heraus kein Betriebsübergang anzunehmen ist. Korrespondierend damit muss natürlich auch das tatsächliche Verhalten des Erwerbers sein. Fehlt es an einem Betriebsübergang, fehlt es auch an der Haftung für Altverbindlichkeiten!« Dr. Robert Boels, Rechtsanwalt, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte Haften der Verkäufer und der Käufer aufgrund eines anzunehmenden Betriebsübergangs gesamtschuldnerisch, so können die Kunden und Vertragspartner ihre Ansprüche wahlweise entweder gegen den Verkäufer oder den Käufer in vollem Umfang geltend machen. Wen von beiden sie dabei auswählen, liegt in ihrem freien Ermessen. Während die Haftung des Verkäufers nach § 160 Abs. 1 HGB auf fünf Jahre begrenzt ist (Nachhaftung), haftet der Käufer dann weiterhin nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften für Schäden aus Vertragspflichtverletzungen drei Jahre ab Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände, jedoch maximal zehn Jahre. Für den Käufer besteht also nach Ablauf der Nachhaftung des Vormaklers das Risiko, als allein verbliebener Schuldner in Anspruch genommen zu werden. Diesen Schaden kann der Käufer dann auch nicht von seiner Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ersetzt bekommen, da die Versicherung frühere Pflichtverletzungen des Vormaklers vermutlich nicht umfasst. Daher bleiben dem Käufer in diesen Fällen nur die Streitverkündung im Prozess, sowie der anschließende Regress bei dem hoffentlich solventen Vormakler und seiner Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Vorsorglich sollte sich der Verkäufer im Bestandskaufvertrag dazu verpflichten, persönlich für die Befriedigung von Haftungsansprüchen einzustehen, die aus einer falschen oder unterlassenen Beratung gegenüber seinen Kunden resultieren, und Ansprüche wegen Pflichtverletzung, die den Zeitpunkt ihrer Entstehung vor der Übertragung des Kundenbestandes hatten, zu tragen. Eine eventuelle Mithaftung des Käufers sollte im Bestandskaufvertrag ausdrücklich abbedungen werden. Zur Abwendung der wirtschaftlichen Folgen könnte es für den Käufer auch bei einem Bestandskaufvertrag sinnvoll sein, seinen Vertrag mit der Vermögensschadenhaft- pflichtversicherung um eine Subsidiär-Deckung oder eine Rückwärtsversicherung hinsichtlich des erworbenen Kundenbestandes zu erweitern. Der Vorteil einer solchen Versicherungslösung wären die feststehenden Kosten, die dann bereits bei Vertragsschluss bei der Ermittlung des Kaufpreises berücksichtigt werden können. 6. Fazit Bei einem Bestandskaufvertrag geht also nicht automatisch die Haftung auf den Erwerber über. Es empfehlen sich aber klare Regelungen innerhalb des Bestandskaufvertrages, dass die Haftung beim Veräußerer verbleibt, sodass gegebenenfalls seine Berufshaftpflichtversicherung eintrittspflichtig bleibt. Erwerben Sie aber eine „wirtschaftliche Einheit“, mit weiteren Betriebsmitteln oder Arbeitskräften, so kann dies als Betriebsübergang bewertet werden. Dies hätte dann zur Folge, dass Sie auch für die Beratungshaftung und sonstige Altverbindlichkeiten hinsichtlich der übernommenen (Alt-) Verträge einzustehen hätten. Der Bestandskaufvertrag sollte also so konzipiert sein, dass aus der vertraglichen Regelung heraus kein Betriebsübergang anzunehmen ist. Korrespondierend damit muss natürlich auch das tatsächliche Verhalten des Erwerbers sein. Fehlt es an einem Betriebsübergang, fehlt es auch an der Haftung für Altverbindlichkeiten! Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte info@kanzlei-michaelis.de www.kanzlei-michaelis.de expertenReport | 05-23 63
Versicherungs- und Finanznachrichte
GASTEDITORIAL »Wir freuen uns dara
LEBENSBEGLEITENDES VORSORGEMODELL 3
„Die individuelle und persönlich
»Um das große Vertriebspotenzial
»MIT TELEMATIK FAHR ICH MEINEN BEI
Laden...
Laden...
Das IVW-geprüfte Print-Magazin expertenReport erscheint pro Quartal. Das Themenspektrum konzentriert sich auf die relevanten Sparten sowie die Zukunftsthemen der deutschen Versicherungswirtschaft.
Das expertenReport E-Paper erscheint fünf Mal pro Jahr.
X
Facebook
LinkedIn