RECHT Warum Berufsvereinigungen Mitglieder wie Arbeitnehmer gleichbehandeln müssen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt auch Mitglieder von Berufsvereinigungen Bild: © TOPIC – stock.adobe.com 56 05-23 | expertenReport
„Bergsteiger: Zwei Männer, deren Zweck es ist, Berge zu besteigen“ (Expedition zum Ki li ma nd scha ro, „Monty Pythons wunderbare Welt der Schwerkraft“): Schon seit 2006 gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), was insbesondere Arbeitgeber sehr vorsichtig gemacht hat. Etwa indem Stellenanzeigen alle inzwischen mindestens drei Geschlechter ausdrücklich mit „m/w/d“ bezeichnen und auch keine Altersvorgaben mehr vorsehen sowie geschlechtersensible – korrekt gegenderte – Sprache verwenden. Doch haben viele Berufsverbände noch gar nicht erkannt, dass sie gegenüber Mitgliedern und Bewerbern um Mitgliedschaft entsprechende Pflichten haben, und diesen korrespondierend Rechte, analog wie bei Arbeitnehmern. Auch Mitglieder von Berufsvereinigungen sind durch das AGG geschützt Abschnitt 2 des AGG „Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung“ wird durch § 18 AGG auf die Mitgliedschaft in – nicht nur – Berufsvereinigungen ausgedehnt: „(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten entsprechend für die Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in einer [...] Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören oder die eine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich innehat, wenn ein grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht, sowie deren jeweiligen Zusammenschlüssen. (2) Wenn die Ablehnung einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 darstellt, besteht ein Anspruch auf Mitgliedschaft oder Mitwirkung in den in Absatz 1 genannten Vereinigungen.“ Unter solche Berufsvereinigungen können etwa Mitglieder von Berufskammern und -vereinen, Gewerbevereinen und auch selbstständige Berufs-Sportler in entsprechenden Vereinen fallen. Oder auch für Hobby-Bergsteiger ein entsprechender Gebirgsverein, angesichts einer überragenden Bedeutung. Dann also darf entsprechend § 7 AGG kein Mitglied wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes in der Vereinigung benachteiligt werden. Dies beinhaltet Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. In § 2 AGG ausdrücklich genannt wird zu diesen Gründen das Verbot von Benachteiligungen in Bezug auf „die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen.“ Auch mittelbare Benachteiligungen sind verboten Unmittelbar benachteiligt wird, wer wegen eines dieser Gründe eine ungünstigere Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Doch auch mittelbare – also durch dem Schein nach neutrale Kriterien bewirkte – Benachteiligungen aus einem dieser Gründe sind unzulässig. Etwa wenn ausdrücklich auf eine bestimmte Muttersprache abgestellt wird statt nur auf die tatsächlich erforderlichen ausreichenden Sprachkenntnisse oder eine Mindestgröße verlangt wird, die in der Mehrheit von Frauen unterschritten wird. Ist die unterschiedliche Behandlung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich, so liegt keine unzulässige Benachteiligung vor. Etwa der Ausschluss von Ruheständlern – mittelbare Altersbenachteiligung – aus Gremien der Berufsvereinigung, um deren Kontakt mit den Berufstätigen sicherzustellen. Eine Ungleichbehandlung als positive Maßnahme zum Ausgleich bestehender Nachteile ist indes erlaubt – zum Beispiel Frauenförderung, soweit diese sonst benachteiligt wären. Was bei manchen Berufen mit hohem Frauenanteil aber auch nicht gegeben sein mag. Die Vereinsautonomie wird unter den Voraussetzungen des AGG beschränkt. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind unwirksam – das kann etwa auch die Vereinssatzung betreffen. Auch eine Mehrheit von Mitgliedern kann sie nicht wirksam beschließen – und ein Vereinsvorstand sich nicht auf solche Mehrheitsbeschlüsse berufen. → expertenReport | 05-23 57
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