BERATUNG & VERTRIEB Kann Automatisierung den Fachkräftemangel im Versicherungswesen ausgleichen? Bild: © Dmitry – stock.adobe.com Auf dem heutigen hart umkämpften Arbeitsmarkt wird es für die Versicherer immer schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Die kombinierten Kräfte der „großen Resignation“, bei der Arbeitnehmer ihre Prioritäten neu bewerten, und der „großen Pensionierung“, bei der qualifizierte ältere Arbeitnehmer aus dem Berufsleben ausscheiden, haben zu einem historischen Arbeitskräftemangel geführt. 50 05-23 | expertenReport
Als wissensintensiver Bereich, der auf hoch qualifizierte Arbeitskräfte für komplexe Arbeitsabläufe angewiesen ist, steht das Versicherungswesen am Rande einer ernsthaften Krise. Wenn es den Versicherern nicht gelingt, den Fachkräftemangel zu beheben, besteht die Gefahr, dass sie in Bezug auf die operative Exzellenz hinter ihre Konkurrenten zurückfallen und Umsatzwachstum und Marktanteile einbüßen. Die Versicherer fragen sich daher, woher die nächste Generation talen- tierter Mitarbeiter kommen soll. Wie werden sie in der Lage sein, die benötigten Talente zu rekrutieren oder auszubilden? Und welche Rolle kann die Automatisierung in diesem Zusammenhang spielen? Mind the Gap! Versicherer leiden schon unter Talentmangel Laut einer Umfrage von Gartner ist der Mangel an Fachkräften der wichtigste Trend, der sich auf Unternehmen auswir- ken wird. 48 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie sich in den nächsten Monaten große Sorgen um die Fluktuation machen. Dabei geht es um weit mehr als nur um eine Talentlücke von „Nice to have“-Fähigkeiten. Die Fluktuation von Mitarbeitern, die für kritische Arbeitsabläufe benötigt werden, stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Geschäftskontinuität dar. Denn das Problem betrifft alle Berufsfelder, angefangen vom Kundendienstmitarbeiter bis zum Versicherungsmathematiker. Eine Studie der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) zeigt, dass schon heute 2.000 bis 3.000 Versicherungsmathematiker in Deutschland fehlen, und das, obwohl der Bedarf steigt. Insbesondere um IT-Fachkräfte und Software-Designer buhlen die Versicherer. Auch das verstaubte Image der Branche hilft nicht gerade, jüngere Bewerber, die dynamische, moderne Arbeitsumfelder bevorzugen, anzuziehen. Dieser Fachkräftemangel ist ein Problem für Versicherer, die auf qualifizierte Mitarbeiter angewiesen sind, um kom- plexe, datenintensive Prozesse wie Underwriting und Schadenmanagement zu verwalten. Da erfahrene Mitarbeiter in den Ruhestand gehen und jüngere Generationen sich für Karrieremöglichkeiten entscheiden, die als „aufregender“ wahrgenommen werden, haben die Unternehmen Schwierigkeiten, qualifizierten Ersatz zu finden. Die bevorstehende Pensionswelle – bis 2036 wird jeder dritte Erwerbstätige in Deutschland das Renteneintrittsalter überschritten haben – wird den Personalmangel auch noch verschärfen. Löst die Einstellung von Mitarbeitern das Problem des Arbeitskräftemangels? Auch wenn die Einstellung von Mitarbeitern als offensichtliche Lösung für den Mangel an Talenten erscheinen mag, ist sie auf lange Sicht nicht nachhaltig. Es gibt viele Gründe, warum der Arbeitskräftemangel nicht allein durch Neueinstellungen behoben werden kann. Erstens ist es schwer, Talente zu finden und für sich zu gewinnen, vor allem in einem wettbewerbsintensiven Markt. Selbst wenn der Rekrutierungsprozess erfolgreich ist, dauert es eine Weile, bis die Mitarbeiter vollständig integriert sind und einen Mehrwert für das Unternehmen schaffen. Die Personalabteilung kann leere Stellen einfach nicht schnell genug wieder besetzen. Die Steigerung der Arbeitskosten ist eine unmittelbare Konsequenz der allgemeinen Personalknappheit, da die Unternehmen höhere Gehälter und bessere Leistungen anbieten, um den Mangel an einheimischen Arbeitskräften zu bekämpfen. So rechnen laut einem DIHK-Report fast sechs von zehn Unternehmen mit steigenden Arbeitskosten, um neue Fachkräfte zu gewinnen oder ihr Personal halten zu können. Es wird erwartet, dass die Arbeitskosten aufgrund der Inflation noch weiter steigen werden, was den Druck auf die Versicherer, ihre Effizienz und Produktivität zu verbessern, noch erhöht. Anstatt einfach nur zu versuchen, mehr Arbeitskräfte einzustellen, müssen die Versicherer erhebliche strategische Veränderungen vornehmen, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu verbessern und Investitionen in Technologie zu nutzen, um die Lücken in der Belegschaft zu schließen. Wie die Automatisierung die menschliche Arbeitskraft ergänzen kann Die Automatisierung kann dazu beitragen, den Fachkräftemangel in der Versicherungsbranche zu beheben, indem sie Prozesse optimiert, die Effizienz steigert und mühsame manuelle Aufgaben eliminiert. Nehmen wir einmal an, dass ältere Fachleute aus dem Ruhestand geholt werden müssen, um Tausende von Policen manuell zu prüfen. → expertenReport | 05-23 51
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