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eR 05/23

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„Die Versicherungswirtschaft sieht sich nach wie vor einer besonderen Marktsituation gegenüber. Schwankende Inflationsraten, steigende Zinsen, das Ende der Corona-Pandemie und die angespannte geopolitische Lage stellen uns vor Herausforderungen. Hinzu kommt die Digitalisierung, die in der Gesellschaft voll angekommen zu sein scheint, und die Beratungs- und Servicewelt maßgeblich beeinflusst. All diese Entwicklungen erfordern Antworten und Lösungen, um sich in dieser neuen Welt zurechtzufinden.“ Armin Christofori, Vorstand der SDV AG aus Augsburg, skizziert den Status quo der Branche perfekt. Doch nicht nur das. Gefragt nach der Zukunft, worauf verzichtet werden darf und was unverzichtbar ist, beschreibt er trefflich: „Auf veraltete Hierarchie-, Service- und Ansprechpartnerwelten, die viel Personal binden, Kosten produzieren und wenig Mehrwert für Makler und Kunden bieten, darf gerne verzichtet werden. Was die Branche gerne behalten darf oder auch wiederentdecken sollte: gesunder Menschenverstand und eine klare Fokussierung auf das Kerngeschäft – die Übernahme von Risiken, die ein Einzelner nicht tragen kann, und das Wohl des Kunden“. Apropos Wohl des Kunden. Eine psychische Vorerkrankung muss bei der Bayerischen nicht mehr zwingend das absolute K.-o.-Kriterium für eine BU-Versicherung sein. Der Versicherer aus München öffnet sich dieser Problematik mit einer differenzierten Risikoprüfung von psychischen Erkrankungen. Wir verfolgen das Thema mit einem Review im Herbst weiter. Wie neue Wege in der Beratung der Gewerbekunden aussehen können, zeigt Thomas Burdack. Er motiviert Versicherungsvermittler immer wieder ein eigenes Ökosystem als Risikocoach zu gestalten und damit weiteren Mehrwert zu bieten.

LEBENSBEGLEITENDES

LEBENSBEGLEITENDES VORSORGEMODELL Arbeits- oder schon berufsunfähig? Für Versicherungsnehmer einer Krankentagegeldversicherung ist die Schnittstelle zwischen Arbeits- und Berufsunfähigkeit oftmals eine Black Box. Wann genau endet eine leistungspflichtige Arbeitsunfähigkeit und damit auch der Anspruch auf das versicherte Krankentagegeld? In nicht wenigen Fällen finden sich für die Beantwortung dieser Frage höchst unterschiedliche Aussagen. Von Alexander Schrehardt, AssekuranZoom GbR § 15 MB/KT 2009 Nach § 15 Abs. 1 b) der Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung (MB/KT) endet die Krankentagegeldversicherung mit dem Eintritt der Berufsunfähigkeit der versicherten Person. In diesem Zusammenhang muss ferner berücksichtigt werden, dass der Versicherungsnehmer dem privaten Krankenversicherer den Eintritt der Berufsun- fähigkeit einer versicherten Person proaktiv anzeigen muss (§ 11 Satz 1 MB/KT 2009). Auch wenn die MB/KT 2009 weder einen zwingenden noch einen halb zwingenden Charakter entfalten und nur als eine Empfehlung des PKV-Verbandes an die Mitgliedsunternehmen zu bewerten sind, haben die privaten Krankenversicherer die verpflichtende Anzeige einer Berufsunfähigkeit regelmäßig gleichlautend in ihren AVB geregelt. Sofern der Krankenversicherer erst zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis von der Berufsunfähigkeit einer versicherten Person erlangt, kann das überzahlte Krankentagegeld zurückgefordert werden. 42 05-23 | expertenReport

»Versicherungsmakler sollten die AVB der verschiedenen Anbieter sehr genau prüfen, da einige Gesellschaften ihre Leistungsfreiheit auch mit dem Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung begründen.« Berufsunfähigkeit im Sinne der MB/KT 2009 Bild: © NetPix – stock.adobe.com Sofern die versicherte Person zum Zeitpunkt der Berufsunfähigkeit noch arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, endet nach § 15 Abs. 1 b) die Krankentagegeldversicherung erst nach Ablauf von drei Monaten. Für diesen Zeitraum besteht dann noch, eine bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit vorausgesetzt, ein fortlaufender Anspruch auf Krankentagegeld. Einzelne Versicherer haben diesen Nachleistungszeitraum in ihren AVB mit sechs Monaten erklärt. Vermittler müssen beachten, dass der Zeitraum der Nachhaftung nicht in Kalendermonaten, sondern stichtagsgenau berechnet wird. Sofern der vom Versicherer beauftragte Gutachter die Berufsunfähigkeit der versicherten Person beispielsweise am 17.04.2023 festgestellt hat, würde nach den MB/KT 2009 im Fall einer fortlaufend testierten Arbeitsunfähigkeit noch ein Anspruch auf Krankentagegeld bis zum 16.07.2023 bestehen. Berufsunfähigkeit im Sinne der AVB Im nächsten Schritt ist die Frage zu stellen, wie ein privater Krankenversicherer eine Berufsunfähigkeit im Sinne seiner Versicherungsbedingungen auslegt. Nach den MB/KT 2009 liegt eine Berufsunfähigkeit vor, „wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 Prozent erwerbsunfähig ist.“ Der geneigte Leser wird sicherlich der Aussage zustimmen, dass diese Vermengung von Berufs- und Erwerbsunfähigkeit nicht besonders erhellend ist. Sofern ein privater Krankenversicherer seine Leistungszahlung einstellen und die Krankentagegeldversicherung wegen Berufsunfähigkeit der versicherten Person beenden möchte, obliegt ihm die Beweispflicht. Dabei muss der Versicherer der versicherten Person eine Berufsunfähigkeit im Sinne seiner AVB nachweisen (BGH vom 30.06.2010, IV ZR 163/09). In der Alltagspraxis verlangt der private Krankenversicherer nach einem längeren Bezug von Krankentagegeld regelmäßig die Vorstellung bei einem ärztlichen Gutachter, der entweder eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit oder eine Berufsunfähigkeit der versicherten Person testiert. Nachdem die Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung nur eine Empfehlung darstellen, können die Gesellschaften in ihren AVB inhaltlich von den MB/KT 2009 abweichen. Bei der Definition der Berufsunfähigkeit ist dies regelmäßig der Fall und die meisten privaten Krankenversicherungen erklären in ihren Bedingungswerken, dass der Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente einer Berufsunfähigkeit im Sinne der MB/KT 2009 gleichsteht. Allerdings sollten Versicherungsmakler die AVB der verschiedenen Anbieter sehr genau prüfen, da einige Gesellschaften ihre Leistungsfreiheit auch mit dem Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung begründen. Der Gesetzgeber benennt in § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI die Rente wegen teilweiser und voller Erwerbsminderung. Eine teilweise Erwerbsminderung liegt dabei vor, wenn der Versicherte weniger als sechs, aber mindestens noch drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein kann. Sofern das Leistungsvermögen für eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden absinkt, gilt der Versicherte als voll erwerbsgemindert. → expertenReport | 05-23 43

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