RECHT Sorgfaltspflicht in globalen Lieferketten per Gesetz verankert Verantwortung made in Germany? Erschreckende Nachrichten über brennende Fabriken, zerstörte Regenwälder und furchtbare Arbeitsbedingungen in vermeintlich weit entfernten Ländern machen seit Jahren die Runde. Was jedoch häufig durch das Raster der Katastrophen-Berichterstattung fällt, ist die Frage nach der (Mit-)Verantwortung deutscher Unternehmen. Dabei sind hiesige Firmen direkt und indirekt an Menschenrechtsverletzungen im Ausland beteiligt. In einer Studie hat die Universität Maastricht über 1.800 Beschwerden gegen Unternehmen aus dem Zeitraum 2005 bis 2014 ausgewertet. 87 davon betreffen deutsche Betriebe. Nur Firmen aus vier anderen Ländern konnten noch mehr Beanstandungen auf sich vereinen. Um dieser dunklen Seite des internationalen Kapitalismus beizukommen, ist seit Juli 2021 eine Sorgfaltspflicht für globale Lieferketten im deutschen Recht per Gesetz verankert. Doch was steckt dahinter? 60 04-22 | expertenReport
Bild: © whitcomberd – stock.adobe.com Irgendwo zwischen Meilenstein und Papiertiger Ab 2023 soll das Lieferkettengesetz mehr Transparenz in die Supply Chain bringen. Betroffen sind davon Unternehmen mit mindestens 3.000 in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern und ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassungen in der Bundesrepublik. Sie müssen dann nicht nur die Einhaltung der Menschenrechte im eigenen Haus (sogenannter eigener Geschäftsbereich) und bei ihren Zulieferern prüfen, sondern auch dafür sorgen, dass ihr erster Hauptlieferant (sogenannter unmittelbarer Zulieferer) Sozialstandards und Menschenrechte wahrt, angemessene Arbeitsbedingungen für Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bietet sowie faire Löhne zahlt. Alle anderen Zulieferer in der Kette (sogenannte mittelbare Zulieferer) sollen abgestuft überprüft werden, wenn substantiierte Kenntnisse über mögliche menschenrechtliche Verletzungen vorliegen. Umweltstandards wie die Ausfuhr gefährlicher Abfälle im Sinne des Basler Übereinkommens finden nur im Zusammenhang mit Menschenrechten Berücksichtigung. Kommen Firmen den Vorschriften nicht nach, drohen den Unternehmen Bußgelder, die sich auf bis zu 2 Prozent des weltweiten jährlichen Konzernumsatzes belaufen können. Firmen mit einem Jahresumsatz von unter 400 Millionen Euro drohen monetäre Sanktionen von 100.000 bis 800.000 Euro. Wichtig dabei: Auch das Ordnungswidrigkeitsgesetz (§ 30 Abs. 2 Satz 3) kann zur Anwendung gelangen, was eine Verzehnfachung des Bußgeldrahmens zur Folge hätte. Übersteigt die Geldbuße eine Höhe von 175.000 Euro, sieht das Gesetz den Ausschluss betroffener Betriebe bis zu drei Jahren von öffentlichen Ausschreibungen vor. Was ist zu tun? Damit pünktlich zum Stichtag die Vorgaben des Lieferkettengesetzes eingehalten werden, gilt es, Vorarbeiten zu leisten. In einem ersten Schritt sollten Unternehmen und Konzernholdinggesellschaften ermitteln, ob sie oder einzelne Tochtergesellschaften von den Verpflichtungen betroffen sind. Ist dies der Fall, dreht sich alles um die Prüfung existierender Risikomanagementsysteme. Können sie zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten eingesetzt werden, lassen sich entstandene Synergien nutzen, um den eigentlichen Handlungsbedarf in Sachen Risikomanagement effizient zu definieren. Unter Einbindung der im Unternehmen betroffenen Bereiche heißt es in der Folge, den individuellen Rahmen für die Durchführung der jährlichen und anlassbezogenen Risikoanalysen festzulegen. Dabei sollten Vorgaben zur Dokumentation sowie zur Kommunikation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Schließlich muss bis spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres ein offizieller Bericht beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingereicht und auf der unternehmenseigenen Homepage veröffentlicht werden. → expertenReport | 04-22 61
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