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eR 04/22

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2021 war das kostspieligste Naturkatastrophen-Jahr für die Versicherer in Deutschland. Rund 12,5 Milliarden Euro mussten sie nach Berechnungen des Branchenverbandes GDV für Naturgefahren aufbringen - so viel wie nie zuvor. Forscher rechnen in den nächsten Jahren mit weiter steigenden Schäden durch Naturereignisse. So darf der Klimaschutz auch angesichts der jüngsten geopolitischen Vorfälle nicht ins Hintertreffen geraten. Die Losung lautet: Flagge zeigen auch in schwierigen Zeiten. Die Versicherungsbranche kann einiges zum Klimaschutz beitragen: Allein die Investitionen der immensen Summen an Deckungskapital in nachhaltige Kapitalanlagen kann Richtungsweisendes bewirken. Kunden können zu nachhaltigem Handeln durch Anreize in den Produktangeboten motiviert werden: Höhere Quoten in der Schadenregulierung bei Ersatz durch umweltfreundlichere Alternativen, Vergünstigungen beim Fahren ohne fossile Brennstoffe sowie konsequent „grüne“ Angebote in der Vorsorge beeinflussen zunehmend das Konsumverhalten. Dazu braucht es selbstverständlich das Know-how in der Kundenberatung, die mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit diese Möglichkeiten formuliert und dabei gleichzeitig ohne Mehraufwand die regulatorischen Anforderungen zur Nachhaltigkeitsberatung erfüllt. Wenn die vergangenen Jahre etwas gezeigt haben, dann dies: Nach der Krise ist vor der Krise. Auch wenn nicht jede vorhersehbar ist, so ist die Klimakrise vermutlich die Schlimmste und es gilt sie zu verhindern. Also packen wir’s an.

TOOLS »Aufgrund der

TOOLS »Aufgrund der Tatsache, dass die Berichtsperiode 2023 bereits relevant ist, ergibt sich ein immenser Druck auf die Unternehmen. Sie sind ab 2022 gezwungen, dafür einen strukturierten Ansatz zu implementieren.« CSR 2.0: Umfassende Erweiterung der Berichtspflicht ab 2023 Im April 2021 wurde von der EU der Vorschlag für eine CSR-Richtlinie 2.0 veröffentlicht. Die bereits bestehende Berichtspflicht soll damit auf weitere Unternehmen ausgeweitet werden: Zukünftig sind nach der CSR-Richtlinie 2.0 anstatt wie bisher 500 etwa 15.000 deutsche Unternehmen berichtspflichtig. Die Verabschiedung dieser Richtlinie soll auf EU-Ebene planmäßig bis Juni 2022 erfolgen und danach in nationales Recht umgewandelt werden. Aufgrund der Tatsache, dass die Berichtsperiode 2023 bereits relevant ist, ergibt sich ein immenser Druck auf die Unternehmen. Sie sind ab 2022 gezwungen, dafür einen strukturierten Ansatz zu implementieren. Ab dem 1. Januar 2024 (Berichtsperiode 2023) sollen dann alle großen in der EU ansässigen Unternehmen und Konzerne dazu verpflichtet werden, einen präzisen und prüfpflichtigen Nachhaltigkeitsbericht zwingend in den Lagebericht mit aufzunehmen. Außerdem soll die Verantwortung der Geschäftsführung, die sich bislang nur auf die Finanzberichterstattung bezog, um den Nachhaltigkeitsbericht erweitert werden. Auf dem Weg zu einem prüfpflichtigen Nachhaltigkeitsbericht arbeitet das neu eingerichtete International Sustainability Board (ISSB) mit Hochdruck an der Definition eines einheitlichen Standards, welcher die zahlreichen individuellen Standards der einzelnen Länder ablösen soll. Dieser Standard soll bis zum 31. Oktober 2022 beschlossen werden. Ein EU-weiter Berichtsstandard stellt eine Aufwertung der nicht finanziellen Berichterstattung dar, erhöht die Qualität und Transparenz und ist für die Vergleichbarkeit der Unternehmen dringend erforderlich. Was bedeuten die Neuerungen für die Unternehmenspraxis? Die betroffenen 15.000 deutschen Unternehmen müssen über Aspekte betreffend Umwelt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, soziales Engagement sowie Antikorruption und Geldwäsche berichten. Ferner sind die Prozesse zur Bereitstellung dieser Informationen darzustellen. Diesbezüglich sind insbesondere Informationen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten zu Folgendem vorgesehen: ▶ Kurze Beschreibung des Geschäftsmodells, ▶ Beschreibung der Nachhaltigkeitsziele, ▶ Beschreibung der Rolle der Leitungs- beziehungsweise Aufsichtsorgane, ▶ Beschreibung der Nachhaltigkeitspolitik, ▶ Beschreibung des umgesetzten Due-Dilligence-Prozesses sowie ▶ Beschreibung der wichtigsten Risiken. Die CSR-Berichterstattung muss dabei zwingend Teil des Lageberichts sein und der Finanzberichterstattung zukünftig gleichgestellt werden. Die Erweiterung durch die neue CSR- Richtlinie sieht eine engere Bindung der Unternehmen an die Umweltziele der EU vor, die in der EU-Taxonomie-Verordnung festgelegt sind. Die berichtspflichtigen Unternehmen haben hierbei ebenfalls Kennzahlen zu folgenden Punkten aufzunehmen und offenzulegen, inwieweit diese den Umweltzielen der EU entsprechen: ▶ Umsatzerlöse mit ökologisch nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen, ▶ Investitionsausgaben sowie ▶ Betriebsausgaben mit ökologisch nachhaltigen Vermögensgegenständen und Prozessen. Es werden klare Anforderungen an die Unternehmen formuliert, nicht nur den Einfluss von Sozial- und Umweltfaktoren auf den Unternehmenserfolg (Outside-in-Perspektive), sondern auch die Auswirkungen des Unternehmens auf Mensch und Umwelt (Inside-out-Perspektive) einzubeziehen (sogenannte doppelte Wesentlichkeit). Gleichzeitig sollen die Berichte neben retrospektiven nun auch mittel-, kurz- und langfristig gerichtete sowie quantitative und qualitative Informationen enthalten. 56 04-22 | expertenReport

Marion Regnery Director Baker Tilly Thorsten Lorenzen Partner Baker Tilly »Gerade für langfristig orientierte Kapitalgeber sind die ESG-Aspekte des unternehmerischen Handelns von hoher Relevanz, um zu evaluieren, inwiefern es sich um ein zukünftig vertretbares und profitables Geschäftsmodell handelt.« Die EU unterstützt die verpflichteten Unternehmen und begegnet dem Informationsbedarf der Adressaten mittels eines europaweit einheitlichen Standards für die Nachhaltigkeitsberichtserstattung auf Basis bisheriger Initiativen. Dazu entwickelt die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) verbindliche European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Konkret geplant sind derzeit insgesamt 28 Standards, die in fünf Kategorien aufgeteilt sind: ▶ übergreifende Standards (Strategy, governance, impacts, risk, opportunities) ▶ branchenübergreifende Standards (15 Sector-agnostic standards) ▶ branchenspezifische Standards (Sector-specific standards) ▶ Präsentation (1 Presentation) ▶ konzeptionelle Leitlinien (6 Conceptual guidelines) veröffentlicht werden. Der Nachhaltigkeitsbericht soll mindestens im maschinenlesbaren Format vorgelegt werden. Durch das sogenannte Tagging der Informationen soll eine bessere Vergleichbarkeit, Auswertbarkeit und Nutzung ermöglicht werden. Gleichzeitig wird die Verantwortung des Aufsichtsrates für den Nachhaltigkeitsbericht betont und dieser in die kollektive Verantwortung mit dem Vorstand genommen. Das CSR-Reporting stellt eine enorme Chance für Unternehmen dar. Vor allem auf dem Kapitalmarkt gewinnt eine transparente Kommunikation über die Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Gerade für langfristig orientierte Kapitalgeber sind die ESG-Aspekte des unternehmerischen Handelns von hoher Relevanz, um zu evaluieren, inwiefern es sich um ein zukünftig vertretbares und profitables Geschäftsmodell handelt. Im Januar 2022 wurden die Entwürfe erster Standards (Batch 1) veröffentlicht. Bis Ende 2022 sind weitere Entwürfe und die Verabschiedung der ersten Standards geplant. Bis Mitte 2023 sollen weitere branchenspezifische Standards sowie Standards für klein- und mittelgroße Unternehmen Baker Tilly kontakt@bakertilly.de www.bakertilly.de expertenReport | 04-22 57

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