RECHT & DATENSCHUTZ Nun stellt sich natürlich noch die zweite Frage, ob die Vermittlung von Kapitalanlageprodukten beim Veräußerer überhaupt richtig versichert war und auch mit der richtigen Versicherungssumme. Sollten Sie also den Versicherungsschutz bejahen können, dann sieht die Welt erneut schon wieder deutlich besser aus. Aber wehe, wenn die Vermittlung von Kapitalanlageprodukten, die der Versicherungsmakler „eigentlich“ gar nicht vorgenommen hatte, nicht einmal richtig versichert war. Dann könnte also überraschend der 10.000.000-Euro- Haftungsanspruch kurz nach Erwerb der GmbH auf Sie zurollen. Umgangssprachlich gesagt: Sie müssen also die Leichen im Keller finden. Wenn der Versicherungsmakler aber nur Versicherungsprodukte vermittelt hat, dann stellt sich natürlich auch die Frage, ob hier eine Haftungsverantwortlichkeit bestehen könnte. In erster Linie tritt eine Haftungsgefahr ein, wenn ein nicht versicherter Versicherungsfall entstanden ist, der aber hätte versichert werden können. In der Regel ist es also die Entscheidung des Versicherungsnehmers, ob er glaubt, einen Beratungshaftungsanspruch gegen den Versicherungsmakler zu haben oder nicht. Wenn der Kunde genau den Versicherungsschutz bekommen hat, den er haben wollte, wird der Kunde zumeist dem Versicherungsmakler keinen Vorwurf machen. Glaubte der Kunde aber, richtig versichert zu sein, und stellt überraschend fest, dass er eben nicht richtig versichert ist, so kann schon ab jetzt Ungemach drohen. Die Haftungsverantwortlichkeit des Versicherungsmaklers ist aber nicht davon abhängig, was der Kunde glaubte an Versicherungsschutz zu haben. Die Haftungsverantwortlichkeit ist auch nicht davon abhängig, was der Kunde tatsächlich vermittelt bekommen hat. Natürlich sind diese beiden Aspekte in Relation zueinander zu bringen und es bedarf einer Analyse der Beratungsdokumentation, was vermutlich von VN und Makler besprochen und beraten worden war. »Es ist für einen Erwerber nicht einfach festzustellen, ob Haftungsgefahren im Bestand schlummern.« Das Gesetz objektiviert aber dahingehend, dass es sich jedenfalls um ein geeignetes Versicherungsprodukt gehandelt haben musste. Dabei wird dann auch geprüft, ob der Berater (Versiche- rungsmakler) die Geeignetheit des Produktes am objektiv festzustellenden Bedarf des Kunden geprüft hatte. Wäre es dem Versicherungsmakler erkennbar gewesen, dass objektiv bestehende erhebliche Gefahren nicht versichert wurden, obwohl diese versicherbar gewesen wären, dann kann ein Gericht hier sehr schnell zu einer Beratungspflicht des Versicherungsmaklers kommen und damit die Haftungsverantwortlichkeit für den versicherbaren Schaden feststellen. Es ist also für einen Erwerber nicht einfach festzustellen, ob Haftungsgefahren im Bestand schlummern. Häufig ist es sogar so, dass nicht einmal vernünftige Beratungsdokumentationen vorhanden sind; häufig besteht nicht mal überhaupt eine Beratungsdokumentation! Dann muss der Erwerber wissen, dass eine Beweislastumkehr greift. Auch der Erwerber müsste dann darlegen können, dass der Veräußerer vollständig und richtig beraten hat. Kann er dies nicht, wovon in der Regel auszugehen ist, dann haftet also der Erwerber für den Veräußerer gegenüber dem Kunden. Wir sind wieder bei dem Thema der unentdeckten 10.000.000 Euro an Haftungsverantwortlichkeit. Der Erwerber einer GmbH sollte also genau hinschauen, ob noch „Leichen im Keller“ sind. Kauft er ohne Wenn und Aber die GmbH-Anteile, so kauft er auch die Haftung. Es bedarf gegebenenfalls gesonderter klarstellender Vereinbarungen, wenn er den Verkäufer wegen derartiger Haftungsschäden in Anspruch nehmen will. Unterlässt er dies, bleibt er jedenfalls auf der Haftung allein sitzen. Bei einem Bestandsverkauf sieht es dann schon wieder etwas anders aus. Denn hier bleibt der Verkäufer erst einmal fünf Jahre in der Nachhaftung. Der Kunde kann also auch direkt den Veräußerer noch eine ganze Zeit in Anspruch nehmen. Ansonsten regelt sich die Haftungsverantwortlichkeit natürlich nach dem geschlossenen Bestandskaufvertrag. Hier muss der Verkäufer einen Regress befürchten und der Käufer muss befürchten, dass er 78 02-21 | expertenReport
zwar möglicherweise einen Regressanspruch hat, dieser aber nicht werthaltig ist. Hat also der Verkäufer schnell das Geld verprasst, dann nützt einem der beste Anspruch nichts, wenn nichts mehr zu holen ist. Auch in dieser Konstellation stellt sich erneut die maßgebliche Frage, ob der Vermögensschadenhaftpflichtversicherer für die Altschäden zahlen muss. Dies ist grundsätzlich zu bejahen, wenn unter den Bedingungen des zugrunde liegenden VSH-Versicherungsvertrages eine Deckung anzunehmen ist. Die wesentlichsten Kriterien für den Versicherungsschutz sind wohl, dass der Veräußerer regelmäßig die Versicherungsprämie gezahlt hatte, keine wissentlichen Pflichtverletzungen begangen und alle Obliegenheiten eingehalten hatte. So hoffentlich auch die Obliegenheit, eine Beratungsdokumentation zu erstellen, wenn Derartiges noch in den (alten) Versicherungsbedingungen gefordert war. Fazit Damit bei Ihnen nicht plötzlich das „10.000.000-Euro-Problem“ auftaucht, sollte der zurückliegende Versicherungsschutz genauestens geprüft werden. Gegebenenfalls ist dringend der Abschluss einer Rückwärtsversicherung mit angemessenen Versicherungssummen zu empfehlen und die Prämie ist wohl vom Kaufpreis abzuziehen. Ansonsten können Sie das 10.000.000-Euro-Problem nur dahingehend lösen, dass Sie eine genaueste Bestandsanalyse vorgenommen haben und zu der Feststellung gelangt sind, dass im Rahmen einer umfassenden Dokumentation stets das bestmögliche und geeignete Produkt an den jeweiligen Kunden vermittelt worden war. Wenn also kein Schaden drohen könnte, dann ist vielleicht auch ein schlechter zurückliegender Versicherungsschutz nicht mehr von so großer, besonderer Relevanz? »Empfehlenswert ist möglicherweise eine Law Due Diligence mit einer ergänzenden Haftungsübernahme durch den Rechtsanwalt.« Gegebenenfalls lässt sich das 10.000.000-Euro-Problem auch dahingehend lösen, dass vertragliche oder gesetzliche Regressansprüche gegenüber dem Veräußerer bestehen könnten. Aber welcher Verkäufer wäre schon bereit, eine Garantieerklärung abzugeben, dass keine Haftungsverantwortung im Bestand ist, und sich in Regress nehmen zu lassen? Eine solche Forderung dürfte jeder Verkäufer sicherlich ablehnen und damit auch die Kaufverhandlungen beenden. Empfehlenswert ist möglicherweise eine Law Due Diligence mit einer ergänzenden Haftungsübernahme durch den Rechtsanwalt. Diejenigen Rechts- Stephan Michaelis Rechtsanwalt Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte anwälte, die sich aber mit diesen Fragen auskennen, werden (voraussichtlich) nicht bereit sein, eine solche Haftung freiwillig zu übernehmen. Zwar könnte man dafür wiederum eine VSH- Projektversicherung der bestehenden Beratungshaftung des Rechtsanwalts vereinbaren, aber auch das wird vermutlich nicht ganz günstig! Im Ergebnis bedarf es daher wohl am besten immer eines „Rettungsschirmes“, der sich Vermögensschadenhaftpflichtversicherung nennt und groß genug ist, um das 10.000.000-Euro- Problem in den Kaufverhandlungen zu lösen. Bestimmt sind Sie selbst Experte in diesem Themenbereich oder kennen einen …? Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte info@kanzlei-michaelis.de www.kanzlei-michaelis.de expertenReport | 02-21 79
Versicherungs- und Finanznachrichte
VORWORT »Unternehmensentwicklung s
Anzeige MACHEN SIE EINE ZEITREISE,
Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler Best
TITELINTERVIEW Jan Hupka Notar, Dok
Bild: © sodafish visuals - stock.a
Über 100 aktuelle Musterdokumente
Ingo Ich muss dir den Kreis mal zei
Guido Wie ist das eigentlich so mit
Guido Das ist korrekt und damit ich
TOOLS & DIGITALISIERUNG »Mit der D
TOOLS & DIGITALISIERUNG Ihr Ziel, i
TOOLS & DIGITALISIERUNG Das MVP als
WEITERDENKEN Auswirkungen auf Organ
Laden...
Laden...
Das IVW-geprüfte Print-Magazin expertenReport erscheint pro Quartal. Das Themenspektrum konzentriert sich auf die relevanten Sparten sowie die Zukunftsthemen der deutschen Versicherungswirtschaft.
Das expertenReport E-Paper erscheint fünf Mal pro Jahr.
X
Facebook
LinkedIn