WEITERDENKEN Die Auswirkungen beschränken sich dabei nicht nur auf die finanziellen Aspekte, sondern betreffen die gesamten Wertschöpfungsketten in allen Industrien. In den nächsten Monaten müssen neben strategischen Themen, wie die Überprüfung von Unternehmens- und Produktportfolios, auch Anpassungen an den Organisationsstrukturen, den Führungs- und Kommunikationssystemen sowie in der Unternehmenskultur auf der Agenda stehen. Unternehmen, die heute schon agile und netzwerkorientierte Arbeitsweisen umsetzen, haben durch ihre Fähigkeiten und Eigenschaften gezeigt, dass diese vor, während und mit Sicherheit auch nach der derzeitigen Krise von großem Nutzen sind. Auch wenn seit Jahren ein notwendiges Umdenken kommuniziert wird, so hält eine große Anzahl der Unternehmen weiterhin an den traditionellen und zum Teil überholten Organisationsstrukturen und Führungssystemen fest beziehungsweise setzt gebotene Anpassungen nur langsam und halbherzig um. Häufig ist das Führungsverhalten dadurch gekennzeichnet, dass die Erfolge in erster Linie der eigenen Kompetenz und Weitsicht zugerechnet werden und gleichzeitig den Mitarbeitern in größerem Umfang die Kompetenzen zur Selbstregulation (Selbstorganisation und -steuerung) abgesprochen werden. In den vorherrschenden Organisationsstrukturen werden Mitarbeiter vor allem im vorhandenen Rahmen gehalten und Formen des kreativen Ungehorsams unterbunden. Lernen von biologischen Systemen? Die rasant gestiegene Umweltkomplexität sowie die Vielzahl an Entscheidungssituationen unter Unsicherheit zeigen jedoch, dass diese bestehenden Organisationsstrukturen und Führungssysteme inflexibel und störanfällig sind. Um diesen potenziellen Störfeldern zu begegnen, sind Veränderungen der Strukturen, ein geändertes Management- und Führungsverständnis sowie Führungsverhalten notwendig. Organisationsforscher untersuchen seit Langem natürliche Systeme. Umwelteinflüsse bewirken Veränderungen und innerhalb von biologischen Systemen finden Anpassungsmechanismen statt. Der Schwarm, der nach dem Prinzip der Wechselseitigkeit „Ich gebe, damit du gibst“ agiert, stellt ein solches System dar, denn Schwärme finden und erfinden sich aufgrund von Umwelteinflüssen unaufhörlich neu. »Die agile Organisationsstruktur, die Flexibilität, die Kommunikation, das systemische Handeln sowie das ausgeprägte Beziehungsmanagement ermöglichen dem Bienenschwarm die Anpassungsfähigkeiten, die ihn zu einer agilen Organisation – einem Superorganismus – machen.« Jeder neue stabile Zustand stellt ein brillantes Zwischenergebnis dar. Die zunehmend hohe Dynamik, die fehlende Stetigkeit und Unbestimmtheit, an die wir uns im alltäglichen beruflichen und privaten Leben weiterhin gewöhnen müssen, ist im Schwarm enthalten. Ein Bienenschwarm ist ein solches natürliches, wechselseitig agierendes System. Die agile Organisationsstruktur, die Flexibilität, die Kommunikation, das systemische Handeln sowie das ausgeprägte Beziehungsmanagement er- möglichen dem Bienenschwarm die Anpassungsfähigkeiten, die ihn zu einer agilen Organisation – einem Superorganismus – machen. Ein sehr aktuelles Beispiel der Anpassungsfähigkeit der Bienen zeigt sich in ihrem Umgang mit erkrankten Artgenossen. Die Bienen setzen auf soziale Distanz, um ihr Bienenvolk vor der Ausbreitung von Krankheitserregern zu schützen, und praktizieren Social Distancing schon seit Millionen von Jahren. Infizierte Bienen bewegen sich zwar weiterhin im Bienenstock, jedoch halten ihre Artgenossen ihnen gegenüber Abstand und sie werden auch bei anderen Aktivitäten gemieden. Im schlimmsten Fall kann es allerdings auch dazu kommen, dass die gesunden Bienen einen neuen Bienen - stock gründen. Um ein Gramm Honig zu produzieren, benötigen die Bienen bis zu 6.000 Blütenbesuche. Dabei legt die Sammlerinnenschar eine Strecke zwischen 120 und 240 Kilometer zurück. Das geschäftige Treiben in einem Bienenstock, das für den Betrachter chaotisch erscheinen mag, ist eine Meisterleistung, die von einem Bienenvolk nur auf der Grundlage einer klaren Aufgabenteilung und einer hohen Organisationsstruktur bewältigt werden kann. Die Bienen agieren dabei als sozialisierte, lern- und kommunikationsfähige Wesen im höchsten Maße effizient. Die Grundprinzipien, nach denen ein Bienenvolk handelt, sind eine strenge und intensive Arbeitsteilung, eine gemeinsame Entscheidungsfindung sowie das Prinzip der Nützlichkeit. Dieses Prinzip ist das übergeordnete Ziel beziehungsweise der Zweck im Zusammenleben der Bienen. Das oberste Gebot ist das Überleben des Bienenvolkes und dieser Ansatz, die Sicherung des Allgemeinwohls und des Fortbestands, ist die Basis der Zusammenarbeit. 28 02-21 | expertenReport
FRAUENPOWER Im Gegensatz zu den meisten Unternehmen ist ein Bienenvolk weiblich dominiert. Es besteht aus einer Bienenkönigin, bis zu 2.000 männlichen Drohnen und maximal 80.000 weiblichen Arbeitsbienen. Bild: © Darios – stock.adobe.com Führung: funktional und effektiv Im Gegensatz zu den meisten Unternehmen ist ein Bienenvolk weiblich dominiert. Es besteht aus einer Bienenkönigin, bis zu 2.000 männlichen Drohnen und maximal 80.000 weiblichen Arbeitsbienen. Die Königin übernimmt keine Führungsrolle in einem Bienenvolk, weder aufgrund ihrer hierarchischen Rolle noch eines besonderen Verhaltens. Ohne ihre Arbeiterinnen, die sie putzen und füttern, wäre die Königin nicht überlebensfähig. Der Hofstaat versorgt die Königin, damit sie den überlebens- »Die Bienen machen sich gemäß ihrem Entwicklungsstand in der Gemeinschaft nützlich. Sie leisten an der Stelle ihren Beitrag, an der sie am leistungsfähigsten und nützlichsten sind.« wichtigen Fakt der Sicherung des Fortbestandes des Bienenvolkes erfüllen kann. Um auch auf unvorhersehbare Situationen vorbereitet zu sein, legt die Königin zudem vorsorglich Eier in die Brutzellen, aus denen neue Königinnen nachgezogen werden, sollte ihr etwas passieren. Dies ist vorausschauender Pragmatismus in Reinform. Eine ähnliche pragmatische Vorgehensweise zeigt sich bei den Drohnen. Die wenigen männlichen Bienen (Drohnen) werden ausschließlich zum Zweck der Befruchtung herangezogen, um anschließend aus dem Bienenstock geworfen zu werden. Diese radikale Vorgehensweise ist einfach zu erklären: Nach der Befruchtung sind die Drohnen nicht mehr für das Überleben des Bienenvolkes nützlich und stellen nur eine Belastung dar. → expertenReport | 02-21 29
RECHT & DATENSCHUTZ Nun stellt sich
RECHT & DATENSCHUTZ Und täglich gr
RECHT & DATENSCHUTZ Fall „Postaus
IMPRESSUM/AUTOREN & MITWIRKENDE IMP
Versicherungs- und Finanznachrichte
Laden...
Laden...
Das IVW-geprüfte Print-Magazin expertenReport erscheint pro Quartal. Das Themenspektrum konzentriert sich auf die relevanten Sparten sowie die Zukunftsthemen der deutschen Versicherungswirtschaft.
Das expertenReport E-Paper erscheint fünf Mal pro Jahr.
X
Facebook
LinkedIn